In kaum einem Bereich der modernen Hundeernährung sind die Fronten so verhärtet wie beim Thema BARF. Die einen sehen darin die einzig wahre, artgerechte Fütterung – die Rückkehr zum Wolf, die natürliche Lösung aller Zivilisationskrankheiten. Die anderen – darunter ich – sehen in der unkritischen BARF-Verherrlichung vor allem eines: ein gutes Beispiel dafür, wie Halbwissen, Ideologie und romantische Rückbesinnung auf vermeintlich „ursprüngliche Ernährung“ einen gefährlichen Cocktail ergeben können. Dieser Cocktail wird mit Marketingzucker versetzt und dem Verbraucher als Heiltrank verkauft.
Ein beliebter BARF-Anbieter listet auf seiner Website sechs gute Gründe fürs Barfen. Ein guter Aufhänger, um einmal kritisch zu hinterfragen, was wirklich dran ist – wissenschaftlich, praktisch und mit dem Wissen aus über 130 Jahren Hundeernährung.
„Gesündere Zähne durch artgerechtes Kauen“ – oder doch nur Mythos?
Das Lieblingsargument der Rohfleischfreunde: Durch das Kauen auf rohen Knochen oder Fleisch würden die Zähne auf natürliche Weise gereinigt. Tatsächlich ist es so: Rohe Knochen können Zahnstein abtragen – ja. Aber sie können auch Zähne abbrechen. Und Magenschleimhäute verletzen. Oder im Dickdarm liegen bleiben und eine Operation notwendig machen. Und rohes Fleisch? Weich. Und damit bleibt es – wie gekochtes Fleisch übrigens auch – in den Zahnzwischenräumen hängen. Der Maulgeruch freut sich.
Die Vorstellung, man könne durch „natürliche Ernährung“ Zahnhygiene ersetzen, ist ein Irrtum. Auch Wölfe haben Zahnerosion, wenn man sie alt werden lässt. Nur in der Wildnis stirbt man halt vorher. Zahnprobleme sind kein Zeichen schlechter Zivilisation, sondern ein Resultat von Lebensdauer – und von Futterbestandteilen. Zähne brauchen Abrieb – dafür sind spezielle, hart gebackene Hundekuchen besser geeignet als Fleisch. Punkt.
„Weniger Kot – besser verwertbar“ – oder nur wasserärmer?
Die Aussage, dass ein Hund, der barft, weniger Kot absetzt, ist nicht falsch – aber irreführend. Rohes Fleisch besteht zu 70 % aus Wasser. Was da reingeht, kommt natürlich mit weniger Volumen wieder raus. Aber weniger Output ist nicht gleichbedeutend mit besserer Ernährung.
Im Gegenteil: Eine zu fleischlastige Ernährung produziert oftmals besonders übel riechenden, schleimigen Kot – ein Zeichen für Proteinüberschuss und gestörte Darmflora. Hinzu kommt: Ballaststoffe fehlen in vielen BARF-Rationen komplett. Sie sind aber essenziell für eine funktionierende Darmperistaltik, für die gesunde Besiedlung des Mikrobioms und für das Immunsystem.
Der Körper „scheidet nicht aus, was er nicht braucht“, wie manche glauben – er nutzt, was er kann, und der Rest muss raus. Weniger ist hier nicht mehr – sondern manchmal zu wenig.
„Mehr Vitalität durch natürliche Ernährung“ – ein schwammiger Anspruch
Natürlichkeit ist das Lieblingsargument von Marketingabteilungen – auch bei BARF. Doch was heißt „natürlich“, wenn der Hund als domestiziertes Tier seit über 15.000 Jahren mit dem Menschen lebt? Natürlich ist auch Aas. Oder eine Leber, die viel zu viel Vitamin A enthält. Oder rohe Schweineprodukte mit Aujeszky-Risiko.
Die Aussage „natürlich = gesund“ ist schlichtweg falsch. Eine ausgewogene Ernährung braucht Wissen über Bedarfswerte, Energieverteilung, Mineralstoffverhältnisse – und nicht nur einen Fleischwolf und einen Gefrierschrank.
„Weniger Körper- und Maulgeruch“ – ein schöner Traum
Zu viel tierisches Protein führt bei vielen Hunden zu einem sehr intensiven Geruch. Der Klassiker: Hund stinkt aus dem Maul, obwohl er laut BARF-Fans ja alles „natürlich“ bekommt. Das Problem ist: Der Proteinabbau produziert Ammoniak, Amine und andere Verbindungen – alles Stoffe, die riechen. Und das nicht nur im Maul, sondern auch über Haut und Kot.
Wer einmal einen überversorgten BARF-Hund gerochen hat, weiß, dass dieser Punkt eher in die Rubrik Marketingwunschtraum gehört.
„Keine Konservierungsstoffe – keine Industrie“ – das klingt besser als es ist
Rohes Fleisch verdirbt – schnell. Es muss tiefgekühlt gelagert werden, mit hohen hygienischen Anforderungen. Wer auf Fertigfutter schimpft, weil es „konserviert“ ist, übersieht, dass das Einfrieren der BARF-Rationen ebenfalls ein massiver Energieaufwand ist – im Kühlhaus, beim Transport, zuhause in der Tiefkühltruhe. Und: Rohe Produkte bergen ein nicht unerhebliches Risiko für Keime, vor allem für Kinder, alte Menschen oder immungeschwächte Tiere. Salmonellen, Listerien und multiresistente Keime sind keine Seltenheit in BARF-Produkten.
Bei gebackenem Futter wird die Konservierung durch das Backen und Entziehen von Wasser erreicht – ein Jahrhunderte alter Prozess, der Keimen keine Chance lässt. Keine künstliche Konservierung – sondern Handwerk.
„Abwechslung im Napf“ – ja, aber mit Bedacht
Hier stimme ich ausnahmsweise zu. Hunde lieben Abwechslung. Aber nicht zu viel davon. Vor allem nicht zu schnell. Die Darmflora braucht Zeit, sich anzupassen. Ein guter Futterplan setzt auf Sortenvielfalt, aber mit System. Bei Bubeck bedeutet das: verschiedene Fleischsorten, gebackene Strukturen, unterschiedliche Kräuter und Rezepturen – aber alle sorgfältig abgestimmt auf die Verdauung und die Bedürfnisse des Hundes. Nicht jeder Tag muss ein neues Abenteuer im Napf sein – sondern ein gesunder Rhythmus.
Was wir sagen wollen
BARF ist keine schlechte Idee per se. Es ist nur keine pauschale Lösung. Wer das Futter selbst zusammenstellt, trägt die Verantwortung – für Nährstoffe, Hygiene, Ökologie und Tiergesundheit. Es gibt gute Barfer, mit Plan, Wissen und Respekt vor dem Tier. Aber es gibt mindestens genauso viele, die sich auf Instagram-Reels und Forenmeinungen verlassen und dabei mehr Schaden anrichten als nutzen.
Und es gibt noch ein Thema, über das kaum einer spricht: Nachhaltigkeit.
Wenn wir uns als Gesellschaft von der Massentierhaltung abwenden wollen, sollten wir hinterfragen, warum plötzlich hunderttausende Hunde kiloweise Muskelfleisch bekommen – während auf der anderen Seite Menschen über Konsumverzicht sprechen. Der Hund ist kein Wolf mehr – und auch kein Lifestyle-Veganer, der in Fleisch badet.